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Aktuelles

Worte der Freiheit – bevor es zu spät ist

Wir sind evangelisch-lutherische Christinnen und Christen ­– frei, unabhängig und allein Gottes Willen verpflichtet.

„Der Gott des Friedens mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus.“ (Heb. 13,20f)

 

  1. Verantwortung übernehmen – statt willenlos schweigen

Wir stehen ein für die freiheitlich demokratische und rechtsstaatliche Ordnung unseres Landes. Demokratie ist immer so stark, wie die Menschen in ihrem Land sie fördern und mitgestalten. Wer diese Verantwortung für die Demokratie abgibt, der wird diktatorisch geführt. Wer in einer Diktatur lebt, ist Gefangener im eigenen Land. Wir sind heute frei. Deshalb müssen wir uns auch nicht – wie manche behaupten – „unser Land zurückholen“. Wir dürfen es aber genau wie unsere Demokratie nicht aufgeben.

Christus spricht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Räuber. […]  Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.“ (Joh 10,1.9)

Wir lehnen Rechtspopulismus ab, weil er demokratische Grundwerte verachtet, verdreht und missbraucht, um sich selbst als Heilsbringer darzustellen. Seine autoritären Versprechungen münden am Ende immer in Krieg und Gewalt auf Kosten der Schwachen und Schutzbedürftigen.

 

  1. Mut zum Dialog – gegen Hass und Gewalt

Wir treten ein für die Würde jedes Menschen. Deshalb befürworten wir die Vielfalt menschlicher Lebensformen, leben gleichberechtigt mit Menschen mit Behinderung, verstehen jüdische und muslimische Gläubige als Glaubensgeschwister und fördern den offenen und fairen Dialog der Meinungen.

„Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ (Jes 41,10)

Wir lehnen Rechtspopulismus ab, weil er mit Hass und Hetze das Zusammenleben von Menschen und Völkern zerstört, Antisemitismus verbreitet, Rassismus fördert und Minderheiten, ausländische Mitbürger*innen und freiheitlich denkende Menschen verachtet und sie deswegen ausgrenzen, verfolgen, deportieren und sogar töten will.

 

  1. In Freiheit leben – gegen alternative Fakten

Der Geist Gottes entfaltet seine Kraft und Schönheit in Freiheit. Deshalb sind wir für freie Meinungsäußerung, die den Einzelnen in seiner Würde achtet, für Pressefreiheit und eine unabhängige Justiz. Wir leben die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und fördern die Bildung zur freien Entfaltung der heranwachsenden Generation.

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,1)

Wir lehnen Rechtspopulismus ab, weil er schon immer zum Ziel hat, alles unter seiner Macht gleichzuschalten oder abzuschaffen: Justiz, Kultur, Medien und Bildung sind seine ersten Opfer, weil der Feind der Freiheit die Macht der kritischen Wahrheit fürchtet.

 

  1. Leben bewahren – gegen die Zerstörung unserer Welt

Wir setzen uns ein für die Bewahrung der Schöpfung, die Abwendung der Klimakatastrophe und gegen eine lebensfeindliche und ausbeuterische Art des Wirtschaftens und der Politik. Wir sind davon überzeugt, dass menschliches Zusammenleben dort am besten gelingt, wo Ressourcen und Wohlstand über soziale, nationale und generationale Grenzen hinweg gerecht und nachhaltig verteilt und genutzt werden.

„Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes!“ (1Petr 4,10)

Wir lehnen Rechtspopulismus ab, weil er vermeintlich einfache Lösungen anbietet, ohne den wirklichen Problemen gerecht zu werden, die er oft sogar leugnet. Wer an Angst, Neid und Habgier appelliert, zerstört Leben, anstatt es zu ermöglichen.

 

Christinnen und Christen wählen den Frieden, die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Nicht die AfD!

 

>>> Worte der Freiheit als PDF-Datei herunterladen <<<

Positionierung des Kirchenvorstandes bezüglich der ForuM Studie

Mit großer Betroffenheit und Erschütterung haben wir die Ergebnisse der ForuM Studie zu sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche aufgenommen. Diese zeigen nochmals die Bedeutung unserer Arbeit an einem Schutzkonzept in der Region 8, welches seit März 2023 von der Arbeitsgruppe „Schutzkonzept“ erstellt wird.

Die Sicherheit und das Wohlergehen aller Gemeindeglieder haben für uns höchste Priorität. Deshalb mussten bereits alle haupt- und ehrenamtlich Tätigen Personen verpflichtend ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, sowie eine Schulung zum Verhaltenskodex der Landeskirche besuchen und diesen auch unterschreiben.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer sicheren Gemeinschaft ist die Benennung von Ansprechpartnern, an die sich Menschen, vertrauensvoll wenden können, wenn Sie Opfer von grenzüberschreitendem Verhalten in unseren Gemeinden geworden sind oder Kenntnis über solches erlangt haben.

Pfarrer Daniel Meulenberg: (0341) 4201541, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Sabine Albani: (0176) 98589787
Tobias Graupner, Kinder- und Jugendschutzbeauftragter des Kirchenbezirks Leipzig:
(0341) 212009530 / (0176) 20657169

Derzeit befindet sich die Arbeitsgruppe „Schutzkonzept“ im Abschluss der Risikoanalyse, welche in den Kirchennachrichten vom September 2023 genauer beschrieben wurde. In Zukunft werden wir Sie auch weiterhin in den Kirchennachrichten über den Fortschritt des Schutzkonzeptes informieren. Bei Fragen dazu wenden Sie sich bitte an die jeweiligen Verantwortlichen in Ihrem Kirchenvorstand.

Weitere Informationen zur ForuM Studie erhalten sie unter: forum-studie.de

Ausführliche Informationen zur Arbeit der Evangelischen Kirche zum Thema sexualisierte Gewalt finden Sie hier: https://www.ekd.de/Missbrauch

Hinweis: Neue Bankverbindung

Die Bethanienkirchgemeinde hat eine neue Bankverbindung. Bitte verwenden Sie für Zahlungen und Spenden ab sofort die folgenden Daten:

Ev.-Luth. Kirchenbezirk Leipzig, Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank),
IBAN: DE93 3506 0190 1620 4791 67,
BIC: GENO DE D1 DKD
Codierung: "RT 1923" (auch für Freundeskreis Kirchenmusik)

 

Stellungnahme zur Gottesdienststörung am Himmelfahrtstag 2023

Während des regionalen Festgottesdiensts zum Himmelfahrtstag in der Bethanienkirche am 18. Mai 2023 kam es zu einer Gottesdienststörung. Vor Beginn der Predigt stand ein Mann auf, beschwerte sich lautstark über das Agieren der Bethaniengemeinde während der Corona-Pandemie und forderte ein Schuldbekenntnis. Durch Kirchvorsteher und zwei Mitarbeitende eines Sicherheitsdienstes – die aufgrund einer zunächst geplanten, dann aber kurzfristig abgesagten Demonstration vor Ort waren – wurde der Mann aus der Kirche begleitet, so dass der Gottesdienst fortgesetzt werden konnte.

Die Bethaniengemeinde hat während der Corona-Pandemie Menschen, die sich durch eine Impfung vor einer möglicherweise schweren Erkrankung schützen wollten, entsprechende Angebote gemacht. Zudem haben wir durch eine an die Gegebenheiten vor Ort angepasste Umsetzung der staatlichen und kirchlichen Regelungen dafür Sorge getragen, dass sich diejenigen, die – z. B. aufgrund von Vorerkrankungen – im Falle einer Infektion gravierende Folgen befürchten mussten, bei uns sicher fühlen können. Auf diese Weise haben wir uns darum bemüht, dem Auftrag Gottes, die Schwächsten in unserer Mitte zu schützen (Röm 15,1), gerecht zu werden.

Der Kirchenvorstand der Bethaniengemeinde hat sich stets darum bemüht, das Agieren angesichts der durch die Pandemie eingetretenen Ausnahmesituation zu erläutern und zu begründen und ist bereit, dies auch weiterhin zu tun. Die durch eine übergriffige Störung des Gottesdiensts aufgenötigte Auseinandersetzung stellt aus unserer Sicht aber in keiner Weise eine sinnvolle Form des Dialogs dar. Mitarbeitende haben den Gottesdienst vorbereitet, die anwesende Gemeinde wollte fröhlich den Festtag begehen und eine Familie die Taufe ihres Kindes feiern. Dass all diese Menschen durch den Zwischenfall gestört worden sind, betrübt und ärgert uns sehr. Wir sind deshalb unserer Verantwortung, eine angemessene Fortsetzung des Gottesdienstes zu ermöglichen, nachgekommen und rufen dringend dazu auf, derartige Störungen zukünftig zu unterlassen. Für einen vorwurfsfreien Dialog stehen wir in einem anderen Format zur Verfügung.

Unser Dank gilt den Haupt- und Ehrenamtlichen vor Ort sowie den Mitarbeitenden des Sicherheitsdiensts, die durch ihren Einsatz die Fortsetzung des Gottesdienstes ermöglichten.

Martin Staemmler-Michael
(Pfarrer)
Konstantin Enge
(Vorsitzender des Kirchenvorstands)

Leipzig, den 18. Mai 2023

Kirche, Klimakatastrophe und Aktivismus

Den Kirchenvorstand bedrückt die drohende Klimakatastrophe sowie der öffentliche Umgang mit Aktivisti, die sich für deren Abwendung einsetzen. Als Kirchgemeinde, die sich der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet sieht, können und wollen wir dazu nicht schweigen. In seiner Sitzung am 6. Dezember hat der Kirchenvorstand das Positionspapier "Kirche, Klimakatastrophe und Aktivismus" der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) Leipzig zur Kenntnis genommen - dieses Papier hat uns inhaltlich und argumentativ überzeugt und wir haben einstimmig beschlossen, es zu unterzeichnen und hier im Wortlaut zu veröffentlichen. Die von der ESG formulierten Positionen sind ausdrücklich auch unsere.


Positionspapier der ESG Leipzig

Die Leipziger ESG solidarisiert sich mit den Aktivisti der “letzten Generation” und will die Position der EKD und des Landesbischofs Bilz unterstützen. Das folgende Positionspapier wurde am 27.11.2022 vom Gemeinderat der ESG Leipzig verabschiedet. Wir laden alle ESGn und Kirchengemeinden herzlich ein, sich diesen Text zu eigen zu machen und ihn mit zu unterzeichnen:

Als Studierendengemeinde begrüßen wir ausdrücklich die Einladung einer Sprecherin der „Letzten Generation“ zur Synode der EKD. Unter dem Dach der ESG versammeln sich viele verschiedene fachliche Perspektiven, was einen intensiven Austausch erlaubt und zu angeregten Diskussion führt. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf gegen die Klimakatastrophe und freuen uns, dass sich die EKD-Synode erneut mit dem Thema auseinandersetzte und dazu Aimée van Baalen als Sprecherin der „Letzten Generation“ eingeladen hatte. Insbesondere ihrer Rede stimmen wir vollumfänglich zu. (Rede auf der Synode: https://www.youtube.com/watch?v=zR-bF2JA1N0)
Die Dringlichkeit zum Handeln, die van Baalen anmahnt, findet sich auch in den Stimmen aus Wissenschaft und globalen Institutionen: UN-Generalsekretär Guterres sprach auf der COP-27 von der Aussicht auf eine „Klimahölle“, wenn die Welt den aktuellen Weg weiter fortsetzt. Dieses drastische Bild ist basierend auf den aktuellen Ergebnissen des IPCC-Berichts keine Übertreibung. Dabei gilt es zu bedenken, dass der IPCC-Bericht aufgrund des Konsensprinzips die Situation meist eher konservativ einschätzt.
Die jüngste Veröffentlichung des Expertenrats für Klimafragen zum Fortschritt der Bundesrepublik bei der Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens stellt unserer Regierung ein sehr schlechtes Zeugnis aus (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/klimaziele-deutschland-expertenrat-101.html,
https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2022/11/ERK2022_Zweijahresgutachten.pdf).
Die Ziele für 2030 sind kaum mehr zu erreichen. Umso wichtiger ist es, ein entschlosseneres Handeln für Klimagerechtigkeit einzufordern, damit wir die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen schützen, wie es unser Grundgesetz fordert (Art. 20 a) und auch vom Verfassungsgericht im Urteil vom 24. März 2021 verlangt wurde.

Es ist gut und dringend notwendig, dass es eine ganze Bandbreite an Aktionsformen gibt, um dieses Handeln einzufordern. Jede Art von Beteiligung und Aktivismus muss dabei aber auch kritisch diskutiert werden. Bedenklich finden wir, dass diese Diskussion bezogen auf die Gruppe „Letzte Generation“ in der Medienöffentlichkeit im Moment sehr einseitig geführt wird und mehr auf Generierung von Empörung gesetzt wird, als auf eine inhaltliche, faktenbasierte Auseinandersetzung. Hier möchten wir als Gegenpol zu den oft gehörten Extremismus-Vorwürfen der Politik kurz auf den Brief der Aktivisti an die Bundesregierung verweisen, der sehr deutlich die rechtlichen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen der aktuellen Lage umreißt und auch deutlich macht, dass die Rechtsverstöße und Störungen sehr bewusst und reflektiert geschahen: https://letztegeneration.de/brief-an-die-bundesregierung/ .

Wir sehen in der Kirche einen Raum, einer respektvollen inhaltlichen Auseinandersetzung Platz und Gehör zu geben, aber auch, eine christliche Perspektive in die Diskussion um Inhalte und Formen mit einzubringen. Christliche Verantwortung ist insbesondere ein Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Die Vollversammlung der Bundes-ESG hat dies im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 so zusammengefasst:

„Eine Politik, die weiterhin ein profitorientiertes Wirtschaftswachstum an erste Stelle setzt, und damit die Lebensgrundlagen von Menschen und Tieren unwiederbringlich zerstört, ist nicht christlich.
Eine Politik, die den globalen Süden mit der Hauptlast der Klimakatastrophe alleine lässt, ist nicht christlich.
Eine Politik, die unseren nachfolgenden Generationen einen zerstörten Planeten hinterlässt, ist nicht christlich.“
Zitiert aus dem Beschluss der 7. Vollversammlung der Bundes-ESG vom 17.09.2021

Auch wir stehen für friedlichen Protest ein. Erinnert man sich an die Friedliche Revolution, die 1989 aus den Kirchen heraus wuchs, war gerade der Ruf „Keine Gewalt“, immer wieder aus der Kirche in die Menge getragen worden.

Frieden und Gewaltfreiheit ist aber nicht gleichzusetzen mit „Störungsfrei“ oder „Reibungslos“. Frieden im christlichen Sinne – analog dem jüdischen „Shalom“ – geht weit darüber hinaus. Frieden ist nicht gleichzusetzen mit Ruhe jetzt und vor unseren Augen. Unser Friedensbegriff schließt kollektives Wohlergehen ein und impliziert, dass die Bedürfnisse keines Lebewesens unerfüllt bleiben dürfen. Auch Klage und Leid dürfen und müssen in diesem Frieden bzw. auf dem Weg dahin zu Wort kommen. Eine Ruhe, die bequem die Augen verschließt vor dem Leid, das im globalen Süden erlebt wird, vor dem Schmerz, den uns die Natur klagt, ist kein Frieden. Im Gegenteil. Sie ist Gewalt. Gewalt an denen, die unter unserem westlichen Konsum leiden, Gewalt an denen, deren Ruf um Hilfe und Minimierung dieses Leids von uns im globalen Norden ignoriert wird. Gewalt an der Natur und an zukünftigen Generationen. Dorothee Sölle umriss dies schon 1983 in ihrer Rede beim ÖRK in Vancouver:

„Es gibt eine Art, Theologie zu betreiben, ohne dass die Armen und wirtschaftlich Ausgebeuteten jemals sichtbar werden oder zu Wort kommen – das ist Apartheidstheologie. Ich spreche hier von meiner sozialen Klasse, aber ich möchte alle aus anderen wirtschaftlichen Situationen einschließen, die denselben Idealen folgen, auch wenn sie sie noch nicht erreicht haben. Liebe Schwestern und Brüder aus der Dritten und aus der Zweiten Welt, ich bitte Euch: Folgt uns nicht. Beansprucht, was wir Euch gestohlen haben, aber folgt uns nicht. Ihr werdet sonst traurig mit dem reichen Jüngling von Christus Abschied nehmen müssen. Lasst Euch nicht auf unsere in der westlichen Welt entwickelte Vorstellung von “Fülle des Lebens” ein. Sie ist eine Lüge. Sie trennt uns von Gott, sie macht uns reich und tot.“
Dorothe Sölle, Vancouver 1983

Kirche muss in unserem Verständnis unbequem sein. Den Finger in die Wunde legen, wo Gewalt und Unfrieden herrschen.

Das Recht und die Notwendigkeit zum Widerstand ist niemals unumstritten und erfordert kritische Reflexion. So sah sich der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer in seiner Zeit und Situation vor die Frage gestellt, ob Kirche nur eine Fürsorgepflicht für die Opfer hat oder ob sie selbst in bestimmten Situationen dem „Rad in die Speichen fallen“ muss. Bonhoeffer redet nicht nur davon dem Rad in die Speichen zu „greifen“, sondern vom „Fallen“: davon, die eigene Sicherheit und Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen, um einen Kurswechsel zu provozieren. Das Bild macht deutlich, dass dies selbst bei unsicheren Aussichten auf Erfolg geboten sein kann. Wir verstehen den gewaltfreien Aktivismus der „Letzten Generation“ als notwendigen Versuch dem Rad in die Speichen zu fallen.

Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas skizziert die Notwendigkeit zivilen Ungehorsams in einem Rechtsstaat:

„Wenn die Repräsentativverfassung vor Herausforderungen versagt, die die Interessen aller berühren, muss das Volk in Gestalt seiner Bürger, auch einzelner Bürger, in die originären Rechte des Souveräns eintreten dürfen. Der demokratische Rechtsstaat ist in letzter Instanz auf diesen Hüter der Legitimität angewiesen.“
Jürgen Habermas

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass unsere aktuelle Lebensweise im globalen Norden eine immense Gewalt und Auslöser von Unfrieden darstellt. Gewaltfreier ziviler Ungehorsam ist in Anbetracht dessen, dass unser Staat seiner verfassungsgemäßen und völkerrechtlich bindenden Aufgabe nicht gerecht wird, und in Anbetracht der Größe des entstehenden Leides ein legitimes Mittel. Auch mehrere Gerichtsurteile zu Waldbesetzungen und Straßenblockaden haben zuletzt die Legitimität zivilen Ungehorsams im Verhältnis zur Dringlichkeit der Lage und Untätigkeit unseres Staates hervorgehoben (https://taz.de/Urteil-zu-Baumbesetzung/!5890379/,
https://letztegeneration.de/blog/2022/11/freispruch-in-freiburg-und-sicherungshaft-in-bayern-wie-passt-das-zusammen/ ).

Unsere Mittel, über kirchliche Hilfswerke grenzüberspannende Netzwerke aufzubauen, Geschwistern aus dem globalen Süden Gehör in Politik und Gesellschaft zu verschaffen durch Partnerschaften und Veranstaltungen, haben wenig Früchte getragen. Zu groß ist die Übermacht derer, die sich am Leid und Unfrieden kurzfristig bereichern. Die Versuche, innerhalb unseres Rechtsrahmens durch die EKD, den Kirchentag, Brot für die Welt und andre Personen mit öffentlicher Reichweite wie Bischöfinnen und Bischöfe diese Gewalt anzuprangern und zu beenden, verhallten. Und daher unterstützen wir die, die dieses Unrecht gewaltfrei anmahnen. Aktivisti der „Letzten Generation“, der „Scientist Rebellion“ und viele andere Gruppen tun das, was im tiefsten Kern christliche Verantwortung ist: Sich auflehnen gegen Unfrieden und Ungerechtigkeit.


Das Positionspapier wurde von der ESG Leipzig erstmals am 29. November 2022 an dieser Stelle veröffentlicht: https://esg-leipzig.de/kirche-und-gesellschaft/kirche-klimakatastrophe-und-aktivismus-positionspapier-der-esg-leipzig/

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